On the road - Blog

Blog: Mit einem kleinen E-Auto nach Südwesteuropa

Erfahrungen einer vollelektrischen Reise (Herbst/Winter 2022)

von Susanne Goertz 08 Dez., 2022
Natürlich (im wahrsten Sinne des Wortes) sind Schneefälle in Portugal selten. Im Nordosten des Landes, der Region Trás-os-Montes („hinter den Bergen“) erheben sich jedoch Bergmassive, deren Gipfel zum Teil an die 1.500 Meter heranreichen – diese Region hat sehr kalte Winter und damit auch Schneefälle. Der stete Westwind treibt die Feuchtigkeit vom Atlantik über die kalten Kämme. Im Sommer finde ich es wegen der Höhe dort herrlich kühl. An der Algarve sieht die Sache anders aus, deswegen ist die Region auch ein bevorzugtes Winterflüchtlingsziel: Die Winter sind mild. Selten sinkt die Temperatur nachts unter 8 Grad, 13 Grad sind die Regel, am Tag freuen sich die Leute sich über 16 - 23 Grad. Alte und Junge bevölkern mittags die Straßencafés und Landrestaurants. Auch gelegentliche Regentage im Süden sind normal im Winter. Was jedoch in den letzten Tagen vom Himmel kommt, wundert (und beunruhigt) selbst meine Nachbarn hier. Wahre Sturzfluten über mehrere Stunden rauschen vom Himmel. Der karge Boden kann kaum Wasser aufnehmen, die Straßen außerhalb der Städte haben so gut wie keine Kanalisation. Alles Wasser sucht sich seinen Weg Richtung Meer: über Felder, durch Häuser und gefährlich anschwellende Bachbetten. Die Hügel im Hinterland verschärfen die Situation in den Tälern. Kaum hatten die Leute gestern ihre Häuser und Höfe mühsam vom Schlamm befreit, rauschte in der Nacht der nächste Starkregen heran. Wir müssen warten – auf das nächste Azorenhoch. Davon wissen die Hühner nichts, sie stapfen tropfnass durch die explodierende Vegetation, nur bedacht von den Blicken ebenso tropfnasser Esel und Pferde. Schlimme Situation bei Alcoutim am 5. Dezember ´22 (externer Link): https://www.facebook.com/100000914561644/videos/5845274355591847/
von Susanne Goertz 18 Nov., 2022
Vorab etwas für mich Wichtiges zur E-Auto-Energieversorgung. Denn hätte ich die nicht, müsste ich von meiner Bleibe auf dem Land kilometerweit bis irgendwohin zu Fuß laufen oder bei den Hühnern bleiben: Endlich komme ich hier mit dem Ladekartenchaos klar. Meine Tochter sendete mir eine Shellkarte aus Deutschland nach Portugal, die ich vor einigen Tagen online beantragt hatte. Die funktioniert bis jetzt überall. Ab 2023 soll angeblich die Ladekartencrux (sprich Bindung) in Europa verboten werden und überall eine Bezahlung mit „normalen“ Bezahlsystemen wie Kredit- oder EC-Karten oder Apps möglich werden könnte. Das wäre mal was! Gelegentlich erkunde ich die östliche Algarve, weniger die Touristenorte als vielmehr das Hinterland und die Dörfer, die an keiner Hauptstraße liegen. Vor ein paar Tagen konnte ich es jedoch nicht lassen, einen Blick auf Albufeira zu werfen. Schock! Zuletzt war ich 1987 mit dem Motorrad dort, auch da gab es natürlich schon Hotels und Pensionen. Diesmal übersah ich jedoch glatt die Zufahrt zur Altstadt, denn der Ort beginnt schon gute sechs Kilometer vorher mit zersiedelten Hügeln, aus denen weiße und gelbe Villen aller Preisklassen thronen, mit Bettenburgen, Feiermeilen und Fastfoodlokalen. Als ich merkte, dass ich schon zwei Kreisverkehre zu weit gefahren war, drehte ich um und entdeckte das Schild „Centro“. Also bog ich ab Richtung Meer. Als Parkplatz wählte ich eine Ladesäule, an der ich die Batterie während eines Stadtbummels mit ihren verbliebenen 56 % wieder auf Trab bringen konnte. Die Saison ist nun im November vorüber, und in den Fenstern eines guten Drittels der Lokale hängen Schilder „Closed until April“. So war es nicht überfüllt in den immer noch hübschen Gassen rund um das 2.000 Jahre alte Kastellgelände, das auf einer Klippe so gut wie uneinnehmbar 40 Meter über dem Meer thront. Dieser Status galt jedoch in Kriegszeiten – die Altstadt hat sich im Laufe der Jahrzehnte den Touristenströmen friedlich ergeben. Und den Läden mit China-Artikeln. An ein paar Ecken findet sich noch der alte Charme einer verwinkelten Mittelmeerstadt. Der Stadtstrand, den man seit einiger Zeit durch einen in den Fels geschlagenen Durchgang praktischerweise gleich vor der Shopping Mall aus erreichen kann, wird jedem Anspruch auf Urlaubsfreuden gerecht. Mein Ding war das hier nicht – und als ich einen Blick auf die mit Kunstharz oder Putz überzogenen, ehemals spektakulären Felsformationen warf, dachte ich an die Einrichtung eines Freizeitparks. Gut, man will die Stadt vor Erosion schützen. Schön ist es leider nicht. Schließlich kehrte ich zu Pebbles an seiner Säule zurück und war gar nicht traurig, als ich dem „Urlaubstraum“ den Rücken zukehrte und Kurs auf das Hinterland nahm.
von Susanne Goertz 24 Okt., 2022
Das Leben kann leicht sein in Portugal, das Laden indes nicht so ganz. Zehn Tage sind seit meinem letzten Beitrag im Blog vergangen, und ich kann nicht sagen, dass sich viel getan hat in der Erweiterung meiner Lademöglichkeiten. EDP hat per Mail angekündigt, mich am kommenden Mittwoch anzurufen. Miio präsentierte letzte Woche in seiner App eine Preisauskunft von 23 ct pro kWh – abgerechnet wurden 63 ct. Mein Kommentar an Miio dazu blieb bis jetzt unbeantwortet, aber immerhin kann mit dieser App laden. Via Verde verlangt ein portugiesisches Bankkonto. ShellCharge scheint mir noch die beste Wahl – hätte ich nur die Karte, die ja nach Auskunft des Shell-Services nur nach D versendet werden kann und die auf dem Weg dorthin ist. Bei der Nachfrage, ob sie schon an meine Heimatadresse versendet wurde, geriet ich an eine sehr freundliche Beraterin mit irgendwelchen Kontakten nach Portugal. Sie sendet mir tatsächlich eine zweite Karte an meine portugiesische Adresse. Ich bin gespannt, welche zuerst ankommen wird! Leider war mir die Sache mit ShellCharge nicht bekannt, sonst hätte ich den Kartenantrag schon angestoßen, als ich noch in D war. Dann wäre da noch GALP, ein Tankstellenunternehmen. Sie scheinen tatsächlich die deutsche Bankverbindung zu akzeptieren, zumindest habe ich einen so ausgefüllten Vertrag von GALP erhalten, den ich heute unterschrieben zurücksendete, um ihn zu bestätigen. Die physische Ladekarte habe ich schon, nun muss sie nur noch freigeschaltet werden. Ganz schön verworren, das Ganze, und ich bemühe mich, nicht die Übersicht zu verlieren. Viel übersichtlicher sind die schönen Tage hier. Ich wohne derzeit in einem Restbauernhof mit Katzen, Hunden und Hühnern und recht großen Ländereien, nicht weit von Tavira entfernt. Einen Schreibtisch hatte ich mir gleich nach meiner Ankunft eingerichtet, um arbeiten zu können. Allerdings ist die Verlockung groß, in der Gegend herumzustreifen. Pebbles macht sich perfekt hier, er passt durch die kleinsten Gässchen, scheut sich nicht vor Schotterwegen und packt mit seinem E-Motor Steigungen, als ob es nichts wäre. Die Touristenströme, die allerdings hier im Osten (ungerechtfertigterweise) wesentlichen geringer ausfallen als an der westlichen Algarve, lassen von Tag zu Tag nach, obwohl das Wetter mit Temperaturen um die 25 Grad richtig angenehm ist. Ein Schauer ab und zu lässt der vom Sommer ausgetrockneten Erde und den Pflanzen die betörendsten Düfte entsteigen. Ein Hauch von Orangenblüten, Duftgeranien und Frangipani kann mir fast die Sinne vernebeln. Die Nächte sind mild und ruhig bis auf gelegentlich kläffende Hunde. Die auf dem Hof residierenden Hähne halten sich mit den Hennen in der Nacht – weit genug von Wohnhaus entfernt – auf und in ihrem eigenen Hühnerhaus auf, so dass sie mich nicht zwei Stunden vor Sonnenaufgang mit ihrem kräftigen Krähen aus dem Bett werfen. Sie interessieren sich allerdings tagsüber sehr für das Auto – lasse ich eine Minute die Tür auf, ist mindestens ein Huhn drin. Und die Farbe der Katzenhaare auf dem Textilverdeck verraten mir, wer sich dort in der Nacht ein gemütliches Plätzchen einverleibt hatte.
von Susanne Goertz 14 Okt., 2022
Über die genauen Lademöglichkeiten für Deutsche (und das wird wichtig werden) in Portugal hatte ich so gut wie keine Informationen bekommen können – weder von anderen Reisenden noch über das Internet. Immerhin wurde mir auf entsprechenden Portalen angezeigt, dass es offensichtlich ein gutes Netz an Ladestationen gibt. So steuere ich also die so ziemlich letzte Ladesäule in Spanien an und lande in einer Seitenstraße vor einem Landhotel in La Barca, um noch einmal vollzutanken. Meine gewohnte EnBW-Ladekarte funktioniert wie immer einwandfrei und die paar Minuten Wartezeit verbringe ich im nahe gelegenen Café. Die große Brücke, die den Río Guadiana überspannt, bildet die Grenzmarke nach Portugal. Mittelmeerflair durchweht meine Sinne. Das sanfte Licht an der portugiesischen Algarve ist unverwechselbar. Ich steuere meine Unterkunft an, einen hübschen Resthof im Hinterland von Tavira. Am folgenden Tag erledige ich Einkäufe in der Stadt, um den Kühlschrank füllen zu können. Beim örtlichen Lidl gibt es eine Ladesäule, also nichts wie hin. Leider akzeptiert der Apparat weder meine Mobility-App noch die Ladekarte und auch nicht die Kreditkarte. Es gibt mindestens sechs Ladestationen in der Stadt, ich probiere einige aus – mit dem gleichen enttäuschenden Ergebnis: kein Strom für Pebbles. Damit ich weiß, wonach ich später zu googlen habe, mache ich Fotos der Ladesäulen und habe damit Hinweise auf die Betreiber. Ich mache am Nachmittag erst einmal einen schönen Strandspaziergang, um mich später im Internet zu informieren. Um es kurz zu fassen: Das Ergebnis ist ernüchternd. Der gestrandete Reisende kann sich in keinem Portal wie z. B. Via Verde oder EDP Charge zum Bezahlvorgang anmelden, denn dazu braucht er eine NIF (portugiesische Steuernummer). Der ADAC, den ich mittlerweile mit einbezogen habe, versucht das Problem zu lösen, in dem er mir immer neue App-Vorschläge macht, mit denen man Ladesäulen finden kann. Das Auffinden ist aber nicht mein Problem. Einen Anbieter zu finden, der auch ohne NIF das Aufladen ermöglicht, wäre die Lösung. In der Zwischenzeit lade ich Pebbles hier über die Haussteckdose. Dann bekomme ich einen Hinweis auf „Miio“. Tatsächlich gelingt es hier nach zwei online-Versuchen, meine Kreditkarte als Zahlungsmedium zu hinterlegen. Beim nächsten Test an einer Säule klappt das Laden mit der Miio-App dann auch – allerdings ist Miio nicht gerade preiswert, 33 ct pro KWh in der Sonderangebotszeit (ein bis zwei Stunden am Tag) und 52 ct normalerweise. Das geht jedoch auch billiger, 15 ct sind machbar. Also versuche ich beim Finanzamt in Tavira, an eine Steuernummer zu kommen. Die Warteschlange ist lang, aber es geht zügig voran. Die Dame am Schalter meint: „Der nächste Termin wäre am 7. November.“ Mein Gesichtsausdruck ist wohl entgeistert, denn sie wirft erneut einen Blick auf ihren Monitor: „In Castro Marim könnten Sie übermorgen einen haben.“ Den nehme ich. Castro Marim ist ein nettes Städtchen 25 km entfernt und sowieso einen Ausflug wert. Nach beeindruckenden 10 Minuten Bearbeitungszeit erhalte ich dort eine portugiesische Steuernummer und kann nun theoretisch den portugiesischen Strommarkt erobern. Ich beantrage also im Internet, was das Zeug hält und kann mir bis zur Zusendung der Ladekarten mit meinem Miio-Notnagel behelfen. Die aktuelle Situation ist: EDP Charge hat im Antragsformular ein Adressfeld als Pflichtfeld, in dem man aber nichts eingeben kann. Die Hotline von EDP will sich um die Sache kümmern und zurückrufen. Bisher ist das nicht erfolgt. Bei ViaVerde kann ich mich registrieren, aber der Antrag auf die mobile Ladekarte ist seit Tagen im Status „In Bearbeitung“. Aber das Wetter ist mit 27 Grad wundervoll und die portugiesische Gelassenheit durchdringt selbst die etwas irritierte Reisende. Für weiter Interessierte: Nach meiner Recherche bietet auch Shell Recharge eine Ladekartenlösung an. Man soll in Portugal sowohl mit der App als auch mit einer physischen Karte laden können. Leider funktioniert es mit der App nur an wenigen Stellen in Lissabon. Da bin ich aber nicht. Weil Shell die physische Ladekarte jedoch nicht nach Portugal verschickt, probiere ich den Dreisprung und lasse sie mir zunächst nach Hause schicken und dann nach Portugal. Mal sehen, ob das funktioniert.
von Susanne Goertz 11 Okt., 2022
Überall Federn. Sie umwirbeln mich wie ein Schneesturm. Auf der ausnahmsweise vierspurigen Nationalstraße überholte mich vor wenigen Sekunden ein Transporter. Er fuhr viel zu schnell. Ich kann nur hoffen, dass die Geschwindigkeit seiner empfindlichen Fracht geschuldet ist. Hunderte von Truthähnen schauten im Vorüberfahren durch verschmutzte Gitterstäbe. Das Federvieh ist wohl nicht auf dem Weg in die Freiheit. Das Verdeck habe ich längst geöffnet, und so werde ich am Nachmittag noch Federn unter dem Sitz finden. Kurz nach dem Start am Morgen entsprach die Reihenfolge meiner Anpassung an die Außentemperatur der eines jeden Morgens in den vergangenen Tagen: Gegen halb 10 zog ich die Strickjacke aus. Kurze Zeit später öffnete ich das Fenster einen guten Spalt. Um halb 11 war das Verdeck unten. Es zieht kein bißchen im Nacken, ein Windschott braucht der Wagen nicht. Pebbles hat zwar eine Klimaanlage, aber diese „spezielle“ Luft daraus mag ich nicht besonders. Was nicht ausschließt, dass ich mich im Winter und bei brüllender Hitze über die Anlage freue. Rechts von mir leuchtet etwas zwischen sanften Hügeln in der Ebene, so hell wie die Sonne. Eine Sonne, die auf einer Art Riesenmast thront. Ich erfahre, dass dies ein Solarkraftwerk ist – 624 bewegliche Spiegel am Boden bündeln das Sonnenlicht auf diesen einen Punkt in der Höhe. Heraus kommen 23.400 Megawattstunden im Jahr. In der Argarregion Andalusien wirkt die Anlage wie ein futuristischer Ausrutscher. Im Vorüberfahren ziehen endlose Olivenbaumplantagen an mir vorbei. Menschen auf Leitern sind bei der Ernte. Sie pflücken die Oliven mit der Hand, haben keine dieser Maschinen, die unsanft am Baumstamm rütteln, um die Hunderte von Früchten auf den Boden zu befördern. Es folgt ein Stück freies Ackerland. Traktoren ziehen gewaltige Staubfahnen hinter sich her, als sie den knochentrockenen Boden für die nächste Aussaat aufreißen. Hier den Traktoren versammeln sich Vögel. Es sind nicht wie bei mir zuhause Saatkrähen, sondern Trupps schneeweißer Silberreiher, die versuchen, Reste der letzten Ernte und aufgescheuchte Kleintiere zu ergattern. Es wird Zeit zu laden. Meine Mobility-App führt mich zum nächstgelegenen Punkt – an einer Porschevertretung. „Solo por cliente“ steht auf dem Schild neben den beiden Ladesäulen. Das ist jetzt blöd. Ich gehe rein. Der Herr am Counter meint auf meine Nachfrage, dass ich hier nicht laden könne. Eine Frau kommt dazu, und mit einem Seitenblick auf den Herrn meint sie an mich gewandt: „Wo steht denn Ihr Wagen? Ein Fiat? Natürlich können Sie hier tanken!“ Glücklich schließe ich Pebbles an und beobachte etwas misstrauisch, ob er an dieser Powerstation kein Feuer fängt. Man weiß ja nie … Stattdessen ist er nach neun Minuten von 35 % wieder auf 84 %. Der Weg führt jetzt Richtung Huelva. Ich erreiche unter einem strahlend blauen Himmel die Costa de la Luz. Ein starker Ostwind schiebt mich schnurstracks nach Westen, so dass die Maschine nur 9,9 KWh auf die nächsten 100 Kilometer verbrauchen wird. Noch 30 Kilometer bis zur Grenze nach Portugal.
von Susanne Goertz 09 Okt., 2022
Mitten in der Hochebene von Salamanca erhebt sich die Stadt. Viele junge Leute sind auf den Straßen unterwegs – mit Rollern und in Grüppchen zu Fuß. Die Universidad de Salamanca ist die älteste Spaniens und kann auf eine 800-jährige Geschichte zurückblicken. Zwei Kathedralen prägen das Stadtbild des UNESCO-Weltkulturerbes – wesentlich neuere „Errungenschaften“ wie Apple Stores und Ladestationen zeigen mir, dass die Zeit auch hier nicht stehenbleibt. Gleich hinter der Stadtgrenze sind die Grünanlagen von Salamanca nur noch eine Erinnerung. Die Landschaft ist staubtrocken, nur noch Olivenhaine geben etwas Farbe. Die Stauseen sind so gut wie leer. Ich hörte, dass die Bauern aufgrund des extremen Wassermangels immer tiefere Brunnen graben, obwohl das in diesem Sommer verboten wurde. Viele sind schon bei über 80 Metern Tiefe angelangt, um noch an das lebenswichtige Nass zu kommen. Kaum wird ein illegaler Brunnen entdeckt und versiegelt, gräbt man einen neuen. Ich sehe kaum E-Autos in Spanien, wohl dementsprechend dünn ist das Ladenetz noch, aber ich komme trotzdem auf den langen Strecken sehr gut zurecht, in den Städten sowieso. Um die 39 ct kostet eine kWh meist. Viele Solarfelder säumen den Straßenrand und bedecken riesige trockene Wiesen. In einem Dorf sehe ich, wie Bauern unter den Panels Heu mähen und zu Ballen formen, die als Winterfutter fürs Vieh dienen werden. Ich freue mich: Es ist eine schöne Vorstellung, dass ich mit Sonnenenergie mobil bin. In Frankreich war es wohl eher Atomstrom. Rabenschwarze Rinder, deren Fell in der Sonne glänzt wie poliert, tauchen immer öfter links und rechts der Straße auf. Ein Schild zeigt mir: Sevilla 140 km. Ich bin in Andalusien.
von Susanne Goertz 07 Okt., 2022
Die Felsformationen des Kantabrischen Gebirges, das sich westlich an die Pyrenäen anschließt, muten wie archaische Burgen an. Mit jedem Kilometer, den ich zurücklege, verändern sich die Anordnungen der „Türme“ und „Mauern“. Über allen Gipfeln kreisen still und majestätisch Gänsegeier. Sie finden noch genügend Nahrung und Brutplätze in den unzugänglichen Bergregionen. Es dauert nicht lange, und die Landschaft verändert sich. Sonnenverbrannte Stoppelfelder und gelbverdorrtes Brachland erinnern mich an eine riesige staubige Bürste. Auch der Himmel ist unwirklich gelb gefärbt, denn Saharastaub liegt wie ein Schleier über dem Land, als ich durch Kastilien in Richtung der Extremadura gleite. Tatsächlich sind die Nationalstraßen bestens zu befahren. Alle paar Dutzend Kilometer durchfahre ich ein Dorf, die meisten sind nicht mehr als eine winzige Ansammlung geduckter, weißgetünchter Häuser. Am Ortsrand liegen weit verstreut die Ackergeräte der Bewohner. Es gibt nicht viel hier, aber Platz, den gibt es. Jetzt zur Erntezeit haben die Menschen Strohballen zu gigantischen Bergen aufgetürmt. In einem Weiler kontert auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein anderer Berg – aus ausgedienten Traktor- und Lkw-Reifen. Es wird Zeit, Pebbles zu laden. Google und die Mobility-App zeigen mir eine Säule ganz in der Nähe an. Als ich sie erreiche, kann ich sie leider weder mit der Ladekarte noch mit dem Handy dazu bewegen, mir Strom abzugeben. Auf der Säule prangt der aufschlussreiche Markenname „Zunder“ mit dem Hinweis, dass hier eine eigene Zunder-App zu installieren ist, um an die Elektronen zu kommen. Nach fünf Minuten Getippe auf dem Handy ist es vollbracht, und ab sofort kann ich auch „Zunder“ tanken. Mittlerweile ist es 18 Uhr geworden, und immer noch sind es 28 Grad. Das Auto-Verdeck ist schon seit dem Vormittag geöffnet und ich verliere fast mein Käppi im Windsog, als mich ein wahnsinniger Tanklaster überholt. Zeit, einen schönen Platz zum Sonnenuntergang zu suchen. Ich rumple bei Monterrubio de Armuña einen Feldweg hinauf zu einer kleinen Kapelle, die auf einem Hügel thront. Nur ein Bussard, der in der baumlosen Ebene wohl keinen anderen Landeplatz als einen Zaunpfosten neben der Piste fand, beobachtet mich. Von hier oben sehen die Autos und Häuser in der weiten Landschaft aus wie Spielzeuge.
von Susanne Goertz 05 Okt., 2022
Der Abend im französischen Confolens ist mystisch. Pebbles hängt an seiner Ladesäule, die ich durch den fallenden Nebel schon nicht mehr sehen kann, als ich 50 Meter weiter auf dem Marktplatz stehe und überlege, ob ich noch Baguette kaufen soll. Mir fällt der Spruch ein „zum Leben braucht man Zeit“. Ich weiß nicht, von wem er stammt. Aber man sieht so vieles entlang der Strecke, das ich sonst niemals gesehen hätte, da ich ca. alle 200 km „richtig“ anhalte und nicht nur, um flott zu tanken und dann die Fahrt fortzusetzen. Mir gefällt diese Art zu reisen – natürlich vorausgesetzt, die Zeit ist da. Am folgenden Tag wird es erst warm, als ich die Gegend um Bordeaux herum erreiche – so warm, dass ich mit geöffnetem Verdeck fahren kann. Nach 220 Kilometern halte ich an einer Total-Tankstelle mit sechs Ladesäulen. Total-Ausfall – keine funktioniert. Wenige Kilometer weiter klappt es dann. Die saftigen Wälder aus Kastanienbäumen und Eichen werden spärlicher und machen einem trockeneren Bewuchs Platz. Kilometerweit führen die Straßen nun schnurgerade durch alles beherrschende Kiefernwälder. Der Boden ist sandig, und bei der meditativen Geschwindigkeit von 80 km/h erinnere ich mich traurig an die vielen Waldbrände in dieser Gegend, die vor einigen Monaten besonders schlimm waren. Nach einiger Zeit kommen die ersten Höhenzüge der Pyrenäen in Sicht und heben sich scharf gegen den strahlend blauen Himmel ab. Rechts von mir liegt nun die baskische Küste, berühmt für ihre Wetterwechsel – und ihre urwüchsige Sprache. Das Baskische ist mit keiner anderen Sprache der Welt verwandt, und ich versuche im Vorüberfahren, die eigenartigen Namen auf den Schildern auszusprechen. Aus heiterem Himmel heraus türmt sich plötzlich eine Nebelwand über der Straße. Das Licht wird unwirklich, die Sonne erscheint ab und zu als bleiche Scheibe hinter den wallenden Nebelfetzen. Ich suche nach dem Schalter für die Nebelschlussleuchte, kann sie aber nicht finden. So schnell, wie der Nebel fiel, verschwindet er. Die diesige Wolke, die sich nun von einem Berghang aus auf die Straße wälzt, hat eine andere Ursache. Hunderte Schafe werden zum Abendzeit ins Dorf hinunter getrieben und wirbeln viel Staub auf. Ich übernachte in Hondarriba, der ersten kleinen Stadt auf spanischer Seite. Für die E-Auto-Interessierten: Im Schnitt habe ich auf 100 km 10,2 kWh verbraucht und bin von daheim bis zur spanischen Stadt Hondarriba für Stromkosten in Höhe von 39 € gereist. Den Schalter für die Nebelschlussleuchte habe ich immer noch nicht gefunden.
von Susanne Goertz 03 Okt., 2022
Die Champagne hüllt sich in Nebelschwaden. Nur die Hinweisschilder, die auf die vielen Weingüter aufmerksam machen, sind am Straßenrand zu erkennen. Das ist schade, denn die Landschaft ist bestimmt schön, leicht hügelig mit kleinen, urigen Dörfern. Es macht Spaß, auf den schmalen Straßen herumzukurven. Nur die Aussicht ist etwas eintönig, bis sich der Dunst gegen Mittag lichtet. Solange hatte ich „Radio Champagne FM“ eingeschaltet, dann lief mir der Sender weg, er verschwand so gut wie zeitgleich mit dem Nebel. Die Reichweite liegt nun schon bei 340 Kilometern. Das liegt an der Fahrweise, denn die ist schön busselig, damit ich mir unterwegs viel angucken kann. Es geht so gut wie nur über Landstraßen und so brauche ich nicht viel Strom. Eine Brücke führt mich über die Loire, hinein ins Herz von Frankreich, und immer mehr Schlösser säumen den Weg. Kleine, gewaltige, halb verfallene und top gepflegte: Manche liegen mitten im Wald, die Menschen haben dort in alten Zeiten riesige Lichtungen geschlagen, um den Bau mit ausgedehnten Parkanlagen drumherum zu errichten. Ich frage mich, wieso so viele Schlösser viele Dutzend Kilometer von jeder Siedlung entfernt liegen. Das sind sicher nicht alles Jagdschlösser gewesen. Das Wetter wird super, als es fast schon Abend ist. Das Licht hat Oktoberfarbe – golden, glänzend, wunderschön. Der Wagen rauscht still durch die riesigen Wälder. Limoges liegt schon hinter uns. Es waren heute 510 Kilometer, vorbei an Vierzon und Bellac. Für Ladetechnikinteressierte: Heute morgen z. B. tankte ich 12 kWh Strom für 170 Kilometer und musste dafür 4,80 € zahlen. Dies war allerdings keine Schnellladestation, sondern dauerte 1:06 h. Das war praktischerweise die Mittagspause. An der letzten Säule tankte ich 16 kWh in 19 min, geladen von 41 auf 83 %. Zuhause betanke ich Pebble übrigens mit der Photovoltaikanlage auf dem Hausdach.
von Susanne Goertz 02 Okt., 2022
Die Batterie ist voll geladen, Pebbles (so heißt das Auto wegen der Kieselsteinform des Schlüssels – und weil es ja einen Namen haben muss) zeigt mir eine Reichweite von 285 km an. Sollte bei einer Außentemperatur von 17 Grad eigentlich mehr sein, aber wer durchschaut schon diese Algorithmen. Nach einer Fahrt rauf und runter durch die Ardennen bei lausigen 11 Grad und Kübelregen mit Wolken bis auf die Fahrbahn, so dass ich streckenweise nur 75 fahre, lande ich nach 170 km in Vaux-Chavanne. Das kennt sicher kein Mensch, aber immerhin hat es eine Ladesäule, an der sogar meine Ladekarte funktioniert. Nach 30 Minuten sehr verspätetem Mittagessen ist die Batterie wieder so voll, dass ich eine erneute Reichweite von 240 km ergattert habe. Ich bin zuversichtlich, dass es so weitergehen wird. Die Wolkendecke ist mittlerweile aufgerissen und das Nachmittagslicht lässt die Hügel mit ihren Wiesen und Wäldern im klaren Sonnenlicht glänzen. Die Landschaft ist sanft und wunderschön anzusehen. Ich mache das Radio lauter. Die Zuversicht weicht kurz vor Reims. Die ausgeguckte Station ist über eine Brücke zu erreichen, die gesperrt ist. Umweg: 24 km. Da suche ich lieber die nächste Säule, die auf dem Weg liegt, und die steht in einem Gewerbegebiet in Reims. Fünf Säulen hat es hier sogar. Die Ladekarte funktioniert hier nicht, aber Visa ist gefragt. Ich gebe die Kartendaten ein – die Säule zeigt eine Störung. Ok, umparken an die Nachbarsäule. Barcode der Säule scannen, Kartendaten ins Handy eingeben, Stecker rein. Pebbles lädt! Genau drei Sekunden lang, dann gibt die Säule Meldung: „Störung“. Wiederholung an der dritten Säule, geht auch nicht, andere Station suchen. Die liegt nur zwei Kilometer entfernt und die Spannung (nicht die in der Batterie) steigt, denn ich hab nur noch eine Reichweite von 48 Kilometern. Außerdem wird es dunkel. Und hier habe ich Glück. Sogar der Zugang per Ladekarte funktioniert, und während ich gemütlich beim Abendessen bin, rauschen draußen die Elektronen durchs Kabel. Da bin ich ganz sicher, denn das kann ich auf meinem Handy überprüfen … Heute Nacht wird er wieder voll sein (hoffe ich) und morgen geht es Richtung Paris. Fotos zu machen habe ich heute irgendwie verpasst, nur ein olles Tachobild habe ich.
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